Das verheerende Erdbeben in Lissabon von 1755
Eine Naturkatastrophe verändert die Welt
Lissabon, Portugal: Am 1. November 1755 erschütterte ein verheerendes Erdbeben die Hauptstadt des portugiesischen Kolonialreiches. Durch das Beben, den dadurch ausgelösten Tsunami und die nachfolgenden Brände wurde Lissabon in großen Teilen zerstört und bis zu 100.000 Einwohner fanden den Tod. Diese Katastrophe erschütterte nicht nur die Gebäude der Stadt, sondern auch das Gottvertrauen der damaligen Zeit.
Die Schäden in Lissabon waren enorm. Die Stadt war ein wichtiges Handelszentrum und Metropole des portugiesischen Kolonialreiches. Der Hafen Lissabons, zahlreiche Paläste, bedeutende Bibliotheken und unzählige Kirchen fielen dem Erdbeben und der nachfolgenden Flutwelle zum Opfer. Der Umstand, dass die meisten Kirchen zerstört wurden, während das Vergnügungsviertel Alfama verschont blieb, ebenso wie die Tatsache, dass die Katastrophe ein streng katholisches Land, das an der weltweiten Verbreitung des Christentums teilhatte, an einem hohen kirchlichen Feiertag, wie Allerheiligen, traf, löste europaweit tiefgreifende Diskussionen über das sogenannte Theodizeeproblem, also die Frage, wie ein gütiger Gott so etwas zulassen könne, aus. Gelehrte wie Immanuel Kant, Gotthold Ephraim Lessing oder Voltaire diskutierten darüber, welche Schlüsse aus dem Unglück, das Lissabon widerfahren habe, gezogen werden müssen. Schriftsteller und Komponisten wie Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich von Kleist oder Georg Philipp Telemann verarbeiteten die Tragödie literarisch und musikalisch. Und selbst in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, dem Zeitalter der menschengemachten Katastrophen, wurde immer wieder auf das Erdbeben in Lissabon von 1755 verwiesen, etwa in der "Negativen Dialektik" Theodor W. Adornos. Sogar die zeitgenössische Populärkultur greift das Ereignis immer wieder auf, zuletzt die portugiesische Metal-Band Moonspell in ihrem 2017 veröffentlichten Konzeptalbum "1755".
Den Wiederaufbau Lissabons leitete der damalige Premierminister Sebastião de Mello, der spätere Marquês de Pombal. Bereits 1756 war Lissabon wieder frei von Schutt und der Wiederaufbau ging zügig voran. De Mello nutzte dabei die Gelegenheit, um die neue Stadt großzügig und durchdacht zu planen, mit breiten, geraden Straßen und großen Plätzen. Auch wurde damals schon versucht erdbebensicher zu bauen. Als Mahnung an die große Katastrophe ließ man im Zentrum Lissabons das "Convento do Carmo", ein ehemaliges Karmeliter-Kloster, als Ruine stehen. Heute beherbergt das Kloster das "Archäologische Museum Carmo" und im Sommer werden im dachlosen Kirchenschiff Konzerte organisiert, die aufgrund der hervorragenden Akkustik in der Ruine einen ausgezeichneten Ruf genießen.
Joseph I. von Portugal und der Marquis von Pombal bauten aber nicht nur das zerstörte Lissabon wieder auf, sondern sie bauten auch den portugiesischen Staat um. Anstelle eines klerikalen Königreiches etablierten sie einen aufgeklärten Absolutismus und brachten dadurch die Aufklärung in Portugal zum Durchbruch.
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